Stresstest

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Was ist ein Stresstest?

Die letzte große Finanzkrise im Jahr 2008 hat deutlich gezeigt, dass
die Volkswirtschaften dieser Welt enorm anfällig sind für Verwerfungen
im weltweiten Finanzsystem. Die Lehre aus der Finanzkrise war, dass
Banken und Versicherungen viel genauer überwacht und vor allem geprüft
werden müssen, um in Zukunft eine Wiederholung dieser Ereignisse
ausschließen zu können. Seitdem sind Banken-Stresstests ein zentraler
Bestandteil zur Sicherstellung eines krisenresistenten weltweiten
Finanzsystems.

Wie wird ein Stresstest definiert?

Bei einem Stresstest handelt es sich im Allgemeinen um einen Test, bei
dem die Reaktion eines Organismus auf eine erhöhte physische oder
psychische Belastung gemessen wird. Der ursprünglich aus der Medizin
stammende Begriff hat jedoch über die Jahre auch in anderen
Fachbereichen wie den Ingenieur- und den Wirtschaftswissenschaften
Verbreitung gefunden.

In diesen Disziplinen wird mit einem Stresstest die Reaktion eines
technischen oder wirtschaftlichen Systems (z.B. eines Atomkraftwerks
oder einer Bank) auf eine erhöhte Belastung simuliert. Bei einem
Banken-Stresstest werden beispielsweise die Auswirkungen von
veränderten wirtschaftlichen Parametern auf die finanzielle
Leistungsfähigkeit eines Finanzinstituts ausgewertet. Ein
Banken-Stresstest ist somit eine Simulation, wie sich verschlechterte
wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Form von negativem
Wirtschaftswachstum, Kreditausfällen, fallenden Aktienkursen und
sonstigen negativen Effekten auf eine Bank auswirken.

Welchen Zweck hat ein Bankenstresstest?

Banken zählen zu den systemkritischen Institutionen einer
Volkswirtschaft. Sie vergeben Kredite an Unternehmen und
Privatpersonen, sie wickeln den Zahlungsverkehr ab und sie investieren
das Vermögen ihrer Kunden. Kurzum, ohne Banken würde eine
Volkswirtschaft nicht funktionieren.

Vor dem Hintergrund der entscheidenden wirtschaftlichen Funktionen von
Banken haben Banken-Stresstests den Zweck, die Widerstandsfähigkeit
von Kreditinstituten gegenüber widrigen Marktentwicklungen zu
beurteilen. Damit soll sichergestellt werden, dass auch in einem
wirtschaftlich schwierigen Umfeld das weltweite Bankensystem voll
funktionsfähig bleibt.

Banken-Stresstests sind vor allem bei den sogenannten
„systemrelevanten“ Banken von überragender Bedeutung. Als
systemrelevant wird eine Bank bezeichnet, wenn sie aufgrund ihrer
Größe, der Intensität ihrer Beziehungen zu anderen Banken und ihrer
engen Verbindungen ins Ausland bei einer Bestandsgefährdung erhebliche
negative Folgeeffekte auf andere Banken haben könnte. Im schlimmsten
Fall kann die Insolvenz einer systemrelevanten Bank einen Dominoeffekt
bei anderen Finanzinstituten auslösen und das gesamte Finanzsystem
eines Landes bzw. der ganzen Welt ins Wanken bringen. In Deutschland
sind die Bundesbank und die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) würde die Einstufung von Banken
als systemrelevant verantwortlich.

Wer führt einen Banken-Stresstest durch?

Wer einen Banken-Stresstest durchführt hängt davon ab, um welche Art
von Stresstest es sich handelt. In Bezug auf Banken unterscheidet man
zwei Arten von Stresstests: Mikro-Stresstests und Makro-Stresstests.

Bei einem Mikro-Stresstest werden einzelne Kreditinstitute geprüft.
Diese Art von Test wird von den Finanzinstituten selbst oder von den
mikroprudentiellen Aufsichts- und Regulierungsbehörden durchgeführt.
In Deutschland sind ist die BaFin die zuständige Aufsichtsbehörde. Sie
wird ergänzt durch die Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB).

Im Gegensatz zu Mikro-Stresstests werden bei Makro-Stresstests ganze
Finanzsysteme einer Prüfung unterzogen. Aufgrund der Größe und
Komplexität eines Makro-Stresstests wird dieser von internationalen
Aufsichtsbehörden durchgeführt. In Deutschland ist die zuständige
Bankenaufsichtsbehörde die Deutsche Bundesbank, in den USA ist es die
Federal Reserve (FED).

Als Folge der großen Finanzkrise des Jahres 2008 werden seit 2009 in
der Europäischen Union regelmäßig Banken-Stresstests durchgeführt, an
denen alle relevanten Finanzinstitute der Mitgliedsstaaten teilnehmen
müssen. Verantwortlich für die Durchführung der Tests ist die
Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA). Zusätzlich werden seit 2014
die 120 größten Kreditinstitute der Eurozone gemeinsam von der EBA und
der EZB einem Stresstest unterzogen. Aus Deutschland nehmen neun
Finanzinstitute am Stresstest teil: Die Bayerische Landesbank, die
Commerzbank, die DekaBank, die Deutsche Bank, die Landesbank
Baden-Württemberg, die Landesbank Hessen-Thüringen, die Norddeutsche
Landesbank, die NRW-Bank und Volkswagen Financial Services.

Wie läuft ein Banken-Stresstest ab?

Der Ablauf eines Banken-Stresstests ist von Fall zu Fall
unterschiedlich. Er hängt von den jeweiligen Zielsetzungen sowie von
der Anzahl und der Größe der daran teilnehmenden Finanzinstitute ab.
Das Vorgehen bei den EU-weiten Banken-Stresstests der EBA und der EZB
ist in der Regel zweistufig.

In einem ersten Schritt werden die Risiken in den Bankbilanzen
überprüft. Zentraler Gegenstand dieser Prüfung ist die Werthaltigkeit
von Krediten. Um potenzielle Kreditausfälle abfangen zu können, müssen
die Banken eine Eigenkapitalquote von mindestens acht Prozent
vorhalten. Vereinfacht gesagt, muss ein Kreditinstitut wenigstens acht
Prozent ihrer Risiken mit eigenem Kapital unterlegen, um
Kreditausfälle kompensieren zu können.

In einem zweiten Schritt werden die Auswirkungen einer
Wirtschaftskrise auf die Banken simuliert. Dazu zählen beispielsweise
erhöhte Kreditausfallquoten, Turbulenzen an den Devisenmärkten und
Kurseinbrüche an den Wertpapiermärkten. Die Banken werden dabei zwei
Szenarien ausgesetzt: Einem Basisszenario und einem Krisenszenario. Im
Basisszenario müssen Banken auf eine Kerneigenkapitalquote von neun
Prozent kommen. Im Krisenszenario, dem eine ausgeprägte
Wirtschaftskrise zugrunde liegt, müssen die Finanzinstitute immer noch
auf eine Eigenkapitalquote von 5,5 Prozent kommen.

Was sind die Konsequenzen für Banken beim Nichtbestehen des Stresstests?

Im Gegensatz zu vielen anderen Arten von Tests können Banken nicht bei
einem Stresstest der EBA und der EZB durchfallen. Die prüfenden
Behörden vergeben keine Urteile in Form von „bestanden“ oder „nicht
bestanden“. Allerdings können die Bankenaufsichtsbehörden diejenigen
Finanzinstitute, die bei den Stresstests zu geringe Eigenkapitalquoten
aufweisen, verpflichten, ihre Eigenkapitalausstattung zu verbessern.
Die geforderten Kapitalmaßnahmen werden allerdings nicht
veröffentlicht, es sei denn, die Kreditinstitute tun dies von sich aus.

Innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Stresstest-Ergebnisse
müssen diejenigen Banken, die die Mindestkapitalquoten nicht erfüllt
haben, erklären, wie sie in Zukunft die Vorgaben erreichen wollen. Für
die Umsetzung der Kapitalmaßnahmen haben die Banken im Anschluss
maximal neun Monate Zeit.

Wie eine Bank die Eigenkapitalanforderungen erfüllt, bleibt letztlich
ihr selbst überlassen. Idealerweise besorgt sie sich das Geld über den
Kapitalmarkt von Investoren. Sofern dies nicht oder nur unter sehr
ungünstigen Bedingungen möglich sein sollte, kann eine Bank auch
Staatshilfen in Anspruch nehmen. Im Gegenzug dazu muss die Bank in der
Regel jedoch bestimmte risikoreiche Geschäftsbereiche aufgeben.

Schafft es eine Bank nicht, das geforderte Eigenkapital in diesem
Zeitraum aufzubringen, droht ihr theoretisch die härteste aller
Maßnahmen, und zwar die Schließung bzw. Abwicklung. Bislang ist diese
wort-case Maßnahme jedoch reine Theorie geblieben. In der Praxis haben
es alle europäischen Banken geschafft, die Vorgaben von EBA und EZB zu
erfüllen. Trotzdem gibt es bei den Banken-Stresstests immer wieder
eine Reihe von „Wackelkandidaten“, die erst im Nachgang der Tests die
erforderliche Eigenkapitalausstattung aufweisen.

Wie können Anleger von einem Banken-Stresstest profitieren?

Ein Banken-Stresstest ist nicht nur für die nationalen und
internationalen Bankenaufsichtsbehörden von größter Bedeutung, sondern
auch für Privatanleger wichtig. Aktionäre von Banken können anhand der
Stresstestergebnisse beurteilen, wie krisenresistent „ihre“ Bank ist.
Eine gute Eigenkapitalausstattung erhöht die Sicherheit, dass
Aktionäre auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, nicht ihr Geld
verlieren.

Außerdem sorgen die Banken-Stresstests für eine erhöhte Transparenz.
Banken sind nicht mehr so wie früher in der Lage, risikoreiche
Geschäfte zu verschleiern. Auch davon profitieren Anleger in Form von
mehr Sicherheit.

Fazit zum Banken-Stresstest

Obwohl es nach wie vor viel Kritik an der Art der Durchführung und den
konkreten Konsequenzen der Banken-Stresstests gibt, tragen diese doch
seit Jahren dazu bei, das weltweite Bankensystem sicherer zu machen.
Seitdem alle wesentlichen Finanzinstitute der Welt regelmäßigen
Stresstests unterzogen werden, ist die Gefahr, dass sich eine große
Finanzkrise weltweit wiederholt, deutlich geringer geworden.

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