Portrait: Jesse Livermore wurde 1877 in South Action / Massachusetts auf einer Farm geboren. Mit 14 Jahren riß er von zu Hause aus und bekam einen Job bei einem Broker in Boston, wo er Aktienkurse auf Kreidetafeln notierte. Er machte sich eigene Notizen und begann bald selbst mit dem Handeln. Im Alter von 15 Jahren hatte er bereits ein kleines Vermögen von 1.000 Dollar angesammelt. Er handelte zunächst in Wettbüros, sog. Bucket Shops. Als er dort zu viele Wetten gewann, wurde er ausgeschlossen und zog nach New York um. Schon bald machte er sich einen Namen als Short Seller, u. a. mit Leerverkäufen auf die Union Pacific Railway. Als es 1907 zu einer Finanzkrise kam, verdiente er mit seinen Spekulationen drei Millionen Dollar, verlor aber kurz darauf mit einem missglückten Baumwolltrade fast alles wieder, da er seine eigenen Regeln nicht befolgte. Auch in den nächsten Jahren hatte er kein Glück. 1912 war er mit einer Million Dollar verschuldet und musste Konkurs anmelden. Er konnte sich allerdings in den folgenden Jahren sanieren und zahlte seine Schulden zurück. In den 1920er Jahren vergrößerte er sein Vermögen, zu dieser Zeit besaß er rund um die Welt Villen, Limousinen und eine Luxusjacht, mit der er zwischen den USA und Europa reiste. Als die Börsenstimmung kippte, sah er seine große Stunde gekommen und setzte abermals auf fallende Kurse. Nach dem legendären Crash von 1929 wurde sein Vermögen auf 100 Millionen Dollar taxiert. Doch abermals verlor er alles und musste 1934 erneut Konkurs anmelden. Davon erholte er sich zwar finanziell wieder, jedoch litt er unter Depressionen. Als er sich 1940 mit einem Revolver erschoss, verfügte er über ein Vermögen von fünf Millionen Dollar.
Investmentstrategie
Jesse Livermore wird häufig als König der Spekulanten bezeichnet. Seine Erfolge beeinflussen noch heute viele Trader, genauso sollte sein Scheitern bis als Warnung dienen. Mit seinem Handelsstil gilt er als Vordenker des Trendfolgesystems. Demnach werden kleine Positionen in Richtung des Trends platziert. Folgt die Position dem Trend, wird die Positionsgröße vergrößert, falls sich der Trend umkehrt, wird die Position sofort geschlossen, um Verluste zu begrenzen. Offensichtlich gelang ihm das Schließen von Verlustpositionen nicht immer, so dass er mehrfach alle Gewinne wieder verlor. Ob dies an seiner eigenen Disziplinlosigkeit lag, aufgrund von Beeinflussung durch Dritte zu Stande kam oder gar eine Folge seiner Depressionen war, bleibt bis heute ungeklärt. Bei seinen Entscheidungen stützte er sich ausschließlich auf Kursbewegungen, Fundamentaldaten interessierten ihn wenig. Da damals alle Informationen mühsam von Hand gesammelt wurden, konzentrierte er sich auf wenige Werte. Vielleicht ist auch diese geringe Diversifizierung ein Grund für die großartigen Erfolge, aber auch für die drastischen Abstürze.