Ekosem-Agrar AG: Interview mit CFO Wolfgang Bläsi auf der Münchener Kapitalmarktkonferenz

Sehr geehrter Herr Bläsi, Ekosem-Agrar, der Name deutet es schon ein wenig an, ist ein Unternehmen, das im Agrarsektor tätig ist. Da Sie als Vorstandsmitglied Ihr Unternehmen jedoch mit am besten kennen dürften, würde ich Sie zunächst einmal bitten, unseren Leserinnen und Lesern die Ekosem-Agrar vorzustellen.

Antwort von Wolfgang Bläsi: Die kürzeste Zusammenfassung von dem, was Ekosem-Agrar tut, ist sicherlich: „Wir bewirtschaften einen Bauernhof“. Der ist natürlich in unserem Fall etwas größer als man das so gemeinhin in Deutschland gewöhnt ist. So bewirtschaften wir 600.000 Hektar Land, was bei der durchschnittlichen Größe eines deutschen Bauernhofs etwa 10.000 Betrieben entsprechen würde.

Unser Schwerpunkt liegt dabei auf der Milchproduktion, das heißt wir produzieren Rohmilch. Dazu halten wir derzeit fast 100.000 Milchkühe bei einer Gesamtrinderherde von 180.000 Tieren. Diese produzieren rund 2.400 Tonnen Rohmilch pro Tag. Um Ihnen mal einen Eindruck der Dimension zu geben: Alle 19 Minuten fährt bei uns ein 30-Tonner mit frischer Milch vom Hof.

Bisher kannte ich in diesem Bereich nur ein Unternehmen, das jedoch vor einiger Zeit in die Insolvenz geschlittert ist, nämlich die KTG Agrar. Zudem kenne ich auch noch die Agrarius AG von Herrn Lotz. Würden Sie Überreste von KTG Agrar, beziehungsweise die Agrarius AG, als Wettbewerber ansehen oder gibt es andere Kandidaten?

Antwort von Wolfgang Bläsi: Nein, beide nicht. Landwirte tun sich aber ohnehin immer sehr schwer mit dem Begriff Wettbewerb. Denn erfahrungsgemäß bekommen Landwirte immer alles, was sie produzieren, letztlich auch verkauft; einen Markt dafür gibt es immer. Die Herausforderung in der Landwirtschaft ist stets, dass sie in der Preisgestaltung sehr eingeschränkt sind.

Denn Sie sind immer auf dem Weltmarkt unterwegs und da entscheide nicht ich als Landwirt, was die Tonne Weizen gerade kostet. Insofern ist bei einem landwirtschaftlichen Betrieb das Kostenmanagement essentiell wichtig. Wenn Sie also Ihre Produktionskosten im Griff haben, können Sie letzten Endes mit jedem auf dem Weltmarkt konkurrieren.

Agrarius ist meines Wissens überwiegend in Rumänien tätig. Dort betreiben sie auf einer Fläche von ungefähr 6.000 Hektar einen reinen Pflanzenbaubetrieb. Insofern ein klares Nein, wir sehen Agrarius nicht als Konkurrenten.

Aus welchen Gründen haben Sie sich denn auf die Milchproduktion inklusive der Milchverarbeitung konzentriert? Schließlich gab und gibt es ja oft Diskussionen, dass generell zu viel Milch produziert würde…

Antwort von Wolfgang Bläsi: Ja, das stimmt. Aber das ist eben der große Unterschied von Mittel- und Westeuropa gegenüber Russland. Russland jedenfalls hat ein klares Milchdefizit, so dass das Land 25-30% aller Milchprodukte aus dem Ausland importieren muss. Insofern ist der russische Markt, was die eigene Rohmilchversorgung betrifft, unterversorgt. Da wir uns nahezu ausschließlich auf den russischen Markt fokussiert haben, sieht es gut für uns aus.

Zumal es in Russland, aufgrund dieses Milchdefizits, auch staatliche Subventionen für Betriebe wie den unsrigen gibt. Zudem ist Russland bekanntlich ein riesiges Land, weshalb es extrem niedrige Flächenpreise gibt. In Rumänien, wo Agrarius tätig ist, kostet ein Hektar Land zwischen 7.000 und 10.000 Euro. In Deutschland würden wir über 50.000 bis 70.000 Euro sprechen. In Russland dagegen bezahlen wir rund 1.000 – 1.500 Euro pro Hektar.

Da diese Kosten für Land entscheidend für die Kosten der Futterproduktion für unsere Milchkühe sind, haben wir hier unsere Kosten sehr gut im Griff. Und dass im Bereich der Landwirtschaft das Kostenmanagement eine herausragende Rolle spielt, habe ich ja eben ausgeführt.

Angesichts der aktuellen Diskussionen, Stichwort „Fridays For Future“, komme ich natürlich um eine Frage nicht herum. Was Sie so erzählt haben, sind Sie ja ein landwirtschaftlicher Industriebetrieb. Wie sieht es da, Stichwort: Massentierhaltung, mit dem Tierwohl bei Ihnen aus? Zumal die entsprechenden Auflagen in Russland wohl geringer sind als in der EU, oder?

Antwort von Wolfgang Bläsi (lacht): Ja, das ist eine wunderbare Frage, die ich wie folgt beantworten möchte. Zunächst einmal ist das, was wir tun, per Definition (der deutschen Presse) Massentierhaltung. Warum? Nun, weil wir eben eine Masse von Tieren auf einem Fleck haben. Wir haben beispielsweise Milchviehanlagen, da stehen in drei Ställen jeweils 1.000 Milchkühe und drum herum noch 3.000 Jungtiere.

Ist eine solche Massentierhaltung nun gut oder schlecht? Meines Erachtens weder noch. So gab es vor einigen Monaten in Bayern einen Fall, wo ein kleiner Milchbauer mit nur 50 Kühen seine Tiere schlecht behandelt hat. Wir dagegen haben insgesamt 180.000 Tiere und gehen sehr gut mit ihnen um.

Daher werbe ich dafür, dass man nicht pauschalisieren sollte, sondern sich immer den Stall bzw. die Ställe im Einzelfall anzusehen. Auf unserer Website haben wir einen Imagefilm, wo Sie sich anschauen können, wie es bei uns in den Ställen aussieht. Anfang November hat uns eine Investorengruppe besucht. Dort war ein Investor dabei, der seit mehr als 20 Jahren im Bereich der nachhaltigen Geldanlage unterwegs ist.

Dieser hat uns anschließend gelobt und gesagt, dass man so etwas aus Sicht der Tiere nicht besser machen kann, als wir das tun. Unseren Tieren geht es also gut. Wenn Sie bei uns in den Stall mit 1.000 Tieren reinlaufen, können Sie sich ganz normal unterhalten. Da hören Sie nichts, die Kühe stehen dort und fressen ihr Futter, laufen herum oder liegen in ihren Boxen und sind beim Wiederkäuen. Es kommt also nicht auf die reine Menge an Tieren an, sondern auf den Umgang mit diesen.

Da wir unsere Tiere zur Milchproduktion benötigen, achten wir schon aus Eigeninteresse, aber keinesfalls nur deshalb, sehr stark auf das Tierwohl.

Jetzt sind wir hier auf der MKK, daher müssen wir auch mal über Geschäftszahlen sprechen. Können gerade Sie als CFO etwas zum Verlauf des ablaufenden Geschäftsjahres 2019 sagen und haben Sie möglicherweise schon einen, wenn auch eventuell groben, Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr 2020 für uns?

Antwort von Wolfgang Bläsi: Wir haben erst gerade unsere Geschäftszahlen für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2019 veröffentlicht. Dabei konnten wir bei allen wichtigen wirtschaftlichen Kennzahlen ein deutliches Wachstum zeigen. Insgesamt wachsen wir jedoch schon seit geraumer Zeit sehr stark. Ich hatte ja eben gesagt, dass wir zurzeit 2.400 Tonnen Rohmilch pro Tag produzieren. Ende 2016 lagen wir hier noch bei nur 600 Tonnen pro Tag.

Wir haben also unsere Milchproduktion innerhalb von nur drei Jahren vervierfacht. Sobald die aktuellen Bauprojekte abgeschlossen sind, wird die tägliche Milchproduktion voraussichtlich bis Ende 2020 auf 3.800 Tonnen steigen, was nochmals einem Anstieg um knapp +60% entspricht. Dementsprechend entwickelt sich natürlich auch unser Umsatz. So konnten wir in den ersten neun Monaten 2019 mehr Umsatz generieren als im gesamten Vorjahr (2018).

Das aktuelle Geschäftsjahr 2019 werden wir daher wohl mit einem Jahresumsatz von rund 400 Millionen Euro abschließen, nach rund 250 Millionen Euro in 2018. Diese Dynamik wird sich in 2020 weiter fortsetzen.

Umsatz ist das Eine, der Gewinn das Andere. Wie sieht es denn mit der Profitabilität aus?

Antwort von Wolfgang Bläsi: Wir haben in den letzten Jahren kontinuierlich EBITDA-Margen von über 30% erwirtschaftet. Das waren sogar schon mal 40% und es sind auch heute noch 40% in den bereits etablierten Betrieben. In der gesamten Gruppe sind wir aufgrund des sehr starken Wachstums ein wenig zurückgekommen. Neue Milchviehanlagen benötigen rund ein Jahr, bis Tiere und Mitarbeiter ideal eingespielt sind und die Potenziale nutzen können.

Da wir derzeit noch immer in den Ausbau des Geschäfts investieren, ist kurzfristig nicht mit wesentlichen Verbesserungen bei den Margen zu rechnen. Auf längere Sicht jedoch schon.

Sie sagten ja, dass Sie deshalb auf Milch und den russischen Markt setzen, weil es dort ein entsprechendes Milchdefizit gibt. Auch die Subventionen des russischen Staates haben Sie als einen Grund angeführt. Jetzt habe ich gelesen, dass es in China ähnlich aussehen soll wie in Russland. So hat beispielsweise Windeln.de seinerzeit einen Nachfrageboom nach Milchpulver aus China erlebt… wäre das Land daher ein Ziel für eine mögliche internationale Expansion von Ekosem-Agrar?

Antwort von Wolfgang Bläsi: Tatsächlich ist China vielleicht der Markt schlechthin, wobei das generell für Asien gilt. Da können Sie beispielsweise auch Indien nennen. Was ist nun der Unterschied zwischen Russland und solchen asiatischen Staaten? Nun, Russland ist ein riesiges Land mit relativ wenigen Menschen. Die asiatischen Länder sind auch nicht klein, aber mit einer deutlich größeren Bevölkerungszahl.

China schafft es nun in der Tat auch nicht genügend Milch für ihre Bevölkerung zu produzieren. Bei Reis und Weizen sieht das anders aus, bei Milch gibt es jedoch auch hier ein Defizit. Darum kaufen die Chinesen Vorprodukte wie Butter- und Milchpulver. Auch wir exportieren daher schon von Russland nach China, wofür es einer besonderen Vereinbarung zwischen Russland und China bedurfte.

Wir sind eins von zehn Unternehmen, das eine entsprechende Lizenz erhalten hat. Umgekehrt gibt es auch in China zehn milchproduzierende Unternehmen, die eine Lizenz des chinesischen Staates erhalten haben und nach Russland exportieren dürfen. Bis dato ist das noch beides kaum relevant, das könnte sich aber in den nächsten Jahren ändern. Wir führen daher derzeit entsprechende Gespräche und möchten den chinesischen Markt erschließen.

Allerdings gehört zur Wahrheit, dass diese Erschließung langsam erfolgen wird, so dass der chinesische Markt aktuell und auch in den kommenden zwei, drei Jahren noch nicht den ganz großen Einfluss auf die weitere Entwicklung unseres Unternehmens haben dürfte. Wer jedoch eine nachhaltige, umweltfreundliche und großvolumige Milchproduktion für Länder wie China und besonders Russland fördern möchte, sollte bei uns investieren.

Allerdings ist Ekosem-Agrar bisher nicht börsennotiert, so dass eine Investition nur in unsere Unternehmensanleihe erfolgen kann. Diese bietet jedoch, gerade im aktuellen Nullzins- respektive Negativzinsumfeld, eine attraktive jährliche Rendite von 7,5%. Was die Zukunft betrifft, schließe ich einen Börsengang zur Finanzierung des weiteren Wachstums über Eigenkapital nicht aus.

Herr Bläsi, ich bedanke mich für dieses sehr interessante Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!

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